„Die Krise, in die unsere Gesellschaft global gestürzt wurde, verdeutlicht stärker denn je, wie schnell uns radikale Umbrüche, Brüche mit gewohnten Werten und Normen, erschüttern können. Insofern hat die Ausstellung UMBRUCH noch einmal eine ganz neue Aktualität erfahren“ – heißt in im Einführungstext der neuen Ausstellung der Kunsthalle Mannheim.

UMBRUCH, zu sehen noch bis 18. Oktober, ist die erste Ausstellung, die der neue Direktor der Kunsthalle Mannheim Johan Holten an seiner neuen Wirkungsstätte kuratiert hat. Mit ihr möchte er den Blick des Publikums von der neuen Architektur auf seine Vision eines inhaltlichen Umbruchs des Museums richten.

Johan Holten, Direktor Kunsthalle Mannheim

Die Welt und ihre Veränderung

Ungewöhnlich ist dabei nicht nur das Konzept, sondern auch die Ausstellungsarchitektur: Ein Baugerüst zieht sich durch alle drei Bereiche der Ausstellung – da gibt es enge Gänge, bei denen sich Besucher spontan fragen, ob sie diese überhaupt nutzen dürfen, sie fühlen sich an, wie ein Geburtskanal, der jeweils in den nächsten Teil der Ausstellung führt. Grob könnte man sagen, die Ausstellung UMBRUCH ist in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufgeteilt, aber die Übergänge sind gleitend – auf gar keinen Fall als feste Abgrenzung zu verstehen. Denn das ist es ja, was den UMBRUCH ausmacht, meist ist er ein fließender Prozess. Und dieser Prozess führt in der Mannheimer Ausstellung von „DER VERGANGENHEIT“, den Frauen der „Neuen Sachlichkeit“ – namentlich Hanna Nagel (1907–1975), Jeanne Mammen (1890–1976) und Hamburgerin Anita Rée (1885–1933). Fanden Frauen in der ursprünglichen Ausstellung 1925 noch keinen Platz, werden sie nun – bislang fast vergessen mit ihren turbulenten, tragischen und beispielhaften Lebensgeschichten – im ersten Teil von UMRBUCH gewürdigt.

Gesellschaftliche Konventionen – die „Gegenwart in der Ausstellung – setzt das zweite Kapitel der Ausstellung in den Fokus. Präsentiert wird ein Film des französischen Künstlers Clément Cogitore: Zu den Klängen der Barock-Oper „Les Indes Galantes“ tanzen Street-HipHopDancer auf der Bühne der Pariser Oper. In „The Republic of T.M.“ verarbeitet der dänisch-irakische Filmemacher Masar Sohail seine migrationsgeprägte Biografie. Auch die Künstlerin Alexandra Pirici nimmt das Thema der Umbrüche auf, die sie in ihrer Arbeit „Re-Collection“ mit zehn Performer*innen – darunter Mitglieder des Tanzensembles des Nationaltheaters Mannheim – visualisiert. Also nicht erschrecken, wenn beim Museumsbesuch Menschen auf dem Boden liegen oder nahezu teilnahmslos im Treppenhaus stehen – einfach mutig sein, vorbeigehen und so quasi „zufällig“ Teil der Performance werden!

Im dritten Teil der Ausstellung zeigt Kurator und Kunsthallen-Direktor Johan Holten drei junge Bildhauerinnen – quasi die Zukunft der Kunst – mit deren eigens für die Kunsthalle Mannheim geschaffenen Werken. Die deutsch-türkische Künstlerin Nevin Aladağ erschuf eigens für die Kunsthalle einen RESONANZRAUM – ein Multi-Instrument, in Form eines Zimmers, das in seinem Erscheinungsbild – etwa mit einem Quadrate-Teppich – und wenn es gespielt wird, die multikulturelle Vielfalt der Quadratestadt darstellen soll.  Eine weitere skulpturale Installation trägt den Namen „Mother’s Legs“ und stammt von Kaari Upson, die ihr Leben in einem Vorort von Los Angeles und das nicht immer einfache Verhältnis zu ihrer Mutter zum Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Arbeit werden lässt. Die in Peking lebende und arbeitende Künstlerin Hu Xiaoyuan zeigt die Vergänglichkeit von Objekten und ihre Veränderung im Laufe der Zeit – also den Umbruch schlechthin – ebenfalls in ihrem skulpturalen Werk.

Die Ausstellung UMBRUCH ist keine leichte Kost, aber das könnte sie, will sie dem Titel gerecht werden, auch gar nicht sein. Holten zeigt auf seine charakteristische Weise den Umbruch der Gesellschaft, der Stadt und letztlich der Kunsthalle, so dass jeder Besucher darin letztlich seine eigenen Schlüsse ziehen kann. So viel Freiheit ist für den Kunstfan nicht immer einfach, aber eine ehrliche Einladung, sich auf das Thema UMBRUCH ganz individuell einzulassen.

Ein klares „Go and See“ für die Mannheimer Ausstellung, die noch bin 18. Oktober (so fern Corona es zulässt) in der Kunsthalle zu sehen ist. Info: https://www.kuma.art/de

 

Mother's Legs