Elbehof

Bis 5. April 2026 zeigt das Moderna Museet Stockholm eine umfangreiche Schau zu Pablo Picassos letzten Schaffensjahren. Unter dem Titel „Late Picasso“  („Sena Picasso“) versammelt das Museum ca. 50 Gemälde und 30 Papierarbeiten aus den Jahren 1963 bis 1972.

Der Blick richtet sich damit ausgerechnet auf jene Periode, die lange Zeit als „Symptom des Alterns“ galt – als Wiederholung, als Reflex, als ungebrochene Selbstbehauptung eines Künstlers, der längst zur eigenen Ikone geworden war.

Tatsächlich begegnet man in dieser Ausstellung einem Picasso, der nicht mehr sucht, sondern verhandelt. Die Bilder wirken wie Rückspiegelungen seines Werkes: klassische Figurenmotive, Zitate aus der Kunstgeschichte, expressive Farbflächen, vereinfachte Symbolcodes, die nicht mehr provozieren, sondern sich in der eigenen Sprache einrichten. Stillstand ist hier keine Schwäche, sondern beharrliche Selbstüberprüfung. Doch gerade dieser ästhetischen Dichte steht ein bemerkenswertes Vakuum gegenüber: die biographische und politische Lesbarkeit des Spätwerks.

Because Pablo Picasso was an A**hole

Denn Picasso ist längst nicht nur der Meister des Kubismus, sondern auch ein Symbol für problematische Machtstrukturen im Kunstkanon: Sein Frauenbild ist ein Streitfall – oder eigentlich auch nicht, denn streiten muss man über Dominanz, Gewalt und Missbrauch im Jahr 2025 nicht mehr. Muse, Geliebte, Modell – oft Minderjährige, oft Künstlerinnen, die später psychisch zerbrachen oder künstlerisch bekämpft wurden. Die schmerzhafte Ambivalenz zwischen künstlerischer Bewunderung und biografischer Gewalt ist dokumentiert, aber im Museum nur Randnotiz. Im zeitgenössischen Diskurs wird das längst offensiv verhandelt: Sexismus, Missbrauch, ein männlicher Blick, der Frauen zu Projektionen deformiert. Selbst in der Deformation immer noch hervorstechend erkennbar: Brüste und Vulva – das sagt viel, wenn nicht alles über ein Frauenbild aus.

Was bedeutet es, heute Picassos Spätwerk zu feiern – ohne dessen Beziehungen mitzudenken? Picasso der bekennende Macho. Eine Dora Maar, die ihren Beruf aufgeben musste und später erklärte, seine Bilder seien „Lügen“, oder Françoise Gilot sich von ihm loslösen musste, um überhaupt arbeiten zu dürfen, warum werden diese Stimmen nicht gleichberechtigt neben die Leinwände gestellt? Ihre Erfahrungen sind keine Fußnote, sondern Teil der Bildproduktion.

Die Ausstellung nimmt das Werk ernst, aber nicht den Menschen. Sie inszeniert künstlerische Freiheit, ohne Machtfragen zu stellen. Und konserviert damit genau jene Trennung von Genie und Lebensrealität, die Museen heute so oft überwinden wollen. Es wäre nicht nur möglich, sondern notwendig gewesen, Picasso zeitgenössisch zu kontextualisieren – nicht zur Denunziation, sondern zur transparenten Lesbarkeit. Kunst besteht nicht aus ästhetischen Entscheidungen allein.

„Late Picasso“ beeindruckt wenig mit Neuem, die nahezu kritiklose Glorifizierung eines Künstlers, der längst von seinem Thron der Unantastbarkeit geholt wurde, setzt man nicht mehr auf einen solchen. Die in Stockholm Werke sind wütend, schnell, brutal, zart – manchmal im selben Bild – es schwingt immer mit ein Hauch von Arroganz und Menschenverachtung. Die Schau „“Late Picasso”“ verweigert den Blick auf das, was diese Bilder mitgeprägt hat: die Frauen (und Männer) denen diese Körper, Biografien gehören –  und Stimmen der Frauen, die immer wieder in Picassos Werk auftauchen, ohne gesehen oder gehört zu werden.

Wer die Ausstellung besucht, sieht nicht nur einen alternden Künstler. Man sieht die Grenzen eines alternden „Modernen“ Museums, das entscheiden muss, wie wir Kunstgeschichte erzählen wollen: als Mythos oder als Verantwortung. Sehenswert ist die Ausstellung allemal, sei es auch nur, um den Sturz eines Titanen zu feiern. Alle Infos: https://www.modernamuseet.se/stockholm/en/exhibitions/pablo-picasso/