Zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein, zu künstlich, zu natürlich, zu jung zu alt – Menschen, ganz besonders Frauen, sehen sich immer wieder mit gesellschaftlichen Ansprüchen an ihr Äußeres konfrontiert. Vorurteile, Erwartungen, Klischees diktieren allzu oft den Blick auf den menschlichen Körper.
Mittlerweile gibt es viele Bewegungen, die sich gegen dieses gesellschaftliche Diktat auflehnen – und auch drei Frauen aus der Region sind tätig geworden, um den Menschen Mut zu machen, sich selbst, ihren Körper und ihre Geschichte nicht nur zu akzeptieren, sondern zu lieben. „Dein Körper ist genug“ ist ein Fotoprojekt, dessen erste Ergebnisse derzeit im Besucherzentrum „Weißenburger Tor“ in Germersheim zu sehen sind.
Initiiert wurde das Projekt von Psychologin Caroline Hopp, die als Mentorin für Körperliebe, Beziehungen und Sexualität arbeitet, und den Fotografinnen Jennifer Siegel aus Graben-Neudorf und Swetlana Nowoshenowa aus Mannheim. Sie hatten 2019 im Internet einen Aufruf gestartet und nach Freiwilligen gesucht, die sich nackt fotografieren lassen wollen und gleichzeitig bereit sind, ihre „Lebensgeschichte“ zu erzählen. Gemeldet hatten sich 20 Frauen, deren Bilder uns Erzählungen nun ausgestellt und im Internet zu betrachten sind.
Im Gespräch mit Jennifer Siegel
„Wir hätten natürlich auch gerne Männer fotografiert, aber es hat sich keiner gemeldet“, berichtet Fotografin Jennifer Siegel. „Es kommt aber tatsächlich von Männern immer wieder die Frage, warum wir nur Frauen zeigen. Dann sagen wir gerne, dass das Projekt weiter geht und sich jeder gerne unter www.dein-koerper-ist-genug.jimdosite.com melden darf. Denn wir fotografieren natürlich weiter, vergrößern die Ausstellung, die hoffentlich bald auch in Karlsruhe gezeigt wird, und planen einen Bildband“, sagt sie.
Auch auf Instagram, wo falsche Körperbilder und kranke Selbstwahrnehmung quasi gezüchtet werden, ist das Projekt aktiv. Unter @deinkoerperistgenug kann man dort die Bilderserie betrachten.
Genug sein
Das Ansinnen der drei Frauen ist schnell erklärt: „Mehr Realität, mehr Diversität, der eigene Körper als Ideal und mehr Selbstliebe“. Sie haben Frauen im Alter von 19 bis Ende Fünfzig fotografiert, darunter Schwangere, Tätowierte, Frauen mit mehr oder weniger Gewicht. „Wir haben schnell gemerkt, wirklich jede hat mindestens eine `Problemzone` und niemand ist wirklich komplett zufrieden mit dem eigenen Körper. Das hat uns natürlich erschreckt und das ist es auch, was das Projekt so wichtig macht“, sagt Jennifer Siegel. Die Fotografin betont: „Wir wissen, dass wir die Welt nicht verändern können, aber wir wollen dazu beitragen, dass Menschen zum einen sehen, dass andere auch ihre Probleme und Geschichten mit sich herumtragen, dass es den `perfekten Körper`gar nicht gibt und dass vor jeder Vorverurteilung der Gedanke stehen sollte: Was hat dieser Mensch erlebt, durchgemacht.“
Also mehr Selbstliebe, weniger kranke Schönheitsideale und mehr Toleranz und Akzeptanz. Um dies zu verdeutlichen und kritische Stimmen, die die Nacktheit in den Fotos kritisieren könnten, schon verstummen zu lassen, hat jede Frau zu ihren Bildern auch ihre ganz persönliche Geschichte erzählt.
Jedes Bild eine Geschichte
Und die reichen von Essstörungen und psychische Erkrankungen über Narben – körperlich wie seelisch – bis hin zum Einfluss von Schwangerschaften auf den Körper und die Probleme mit dem „Frau-Sein“ aus der Sicht einer Muslima. So werden auch traurige, bedrückende Geschichten erzählt, ohne Mitleid zu erwecken. Denn mitfühlen, statt mitleiden – tolerieren und akzeptieren, statt zu urteilen und zu verurteilen, das ist die Botschaft von „Dein Körper ist genug“. Das funktioniert gut, weil jede Frau ihre Geschichte aus ihrer eigenen Perspektive erzählt. So lesen sich die Texte nicht wie ein Ausstellungskatalog, sondern wie individuelle Botschaften der Models an den Besucher. Alle mit der einen, wichtigen Message: Liebe Dich selbst und akzeptiere die Anderen.
Aktuell: Ausstellung wegen Corona geschlossen
So lange die Ausstellungsräume im „Weißenburger Tor“ aufgrund der Corona-Epidemie geschlossen sind, kann man das Projekt auf Instagram und auf der Internetseite „Dein Körper ist genug“ verfolgen. Dort können sich auch Menschen bewerben, die sich selbst fotografieren lassen und ihre Geschichte erzählen wollen. „Wir würden uns da über noch viel mehr Diversität freuen“, sagt Jennifer Siegel. „Männer, Frauen, Diverse – auch gerne ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, wir freuen uns wirklich über jeden, der an unserem Projekt teilnehmen möchte“, so die Fotografin aus Graben-Neudorf.
Die Ausstellung soll nämlich immer weiter wachsen und – so wünschen es sich die Organisatorinnen – auch weiter und in größeren Städten zu sehen sein. „Wir planen gerade eine Ausstellung in Karlsruhe, aber wir würden die Fotos natürlich gerne bundesweit zeigen. Wir planen zudem einen Bildband. Aber da wir das Ganze aus Spenden finanzieren und in Sachen Buchpublikation alle totale Laien sind, ist das natürlich nicht ganz so einfach“.