Jawoll, dies ist ein absolut subjektiver Beitrag. Aber da ich für mein Leben gerne Biografien lese, dachte ich, ich teile meine Erfahrungen einfach mal mit Euch. Natürlich hält sich die Bandbreite der Auswahl im Bereich der Musik, die ich gerne höre, aber vielleicht sucht Ihr ja noch nach einer spannenden oder unterhaltsamen Lektüre für Strand, Balkon oder Badewanne.
Die Reihenfolge ist nicht wertend – es ist schlicht DIE Top-5. Und ich werde Euch auch keinen bequemen Link zum Bestellen einbauen. Bitte geht in die Buchläden in Euren Städten – gerne auch Antiquariate – und unterstützt die Händler vor Ort.
„Dear Boy – The Life of Keith Moon“ – Omnibus Press
Das viel zu kurze und heftige Leben des legendären The Who-Drummers Keith Moon mit all seinen Ups and Downs. Im Gegensatz zu vielen anderen Biografien meines Erachtens ziemlich ungeschönt, aber dennoch kommen auch der knallige Charakter der 1960er Jahre und die schillernde, nette Seite der Persönlichkeit Moons nicht zu kurz. Ob es nun die bewegende Geschichte der Band, der permanente Kampf der großen Musikerpersönlichkeiten Townshend, Daltrey, Moon und Entwistle oder der Blick auf das England der „roaring 60s“ das Buch hat alles – neben dem intensiven Blick auf die krasse, geniale Persönlichkeit Keith Moon.
„Twisting My Melon – The Autobiography by Shaun Ryder“ – Transworld Publishers Ltd
Shaun William Ryder, der Badboy der britischen Musikszene der späten 80er, 90er und 2000er Jahre. Kaum ein Leadsänger polarisiert wie er. Man liebt ihn oder man hasst ihn – und ähnlich geht es vielen mit seinen Bands – den Happy Mondays oder Black Grape. Aber wer in den 1990er groß geworden ist, die Manchester Raveszene, Factory Records und die damit verbundene Musik liebt, ist hier genau richtig. Manchmal ein bisschen derbe – sprachlich betrachtet – so wie der gute Shaun eben ist, aber ungemein unterhaltsam. Denn Ryder versteht es, sich selbst und seine Probleme mit Drogen, Alkohol, Frauen und anderen Exzessen, herrlich ehrlich und dazu auch noch mit einer ordentlichen Portion Selbstironie zu schildern. Ryder, seit seiner Jugend immer am Rande der Legalität und Musikalität unterwegs ist eine schillernde Persönlichkeit und genauso unterhaltsam wie er selbst ist auch sein Buch.
„The Heroin Diaries: A Year in the Life of a Shattered Rock Star“ Nikki Sixx – Simon & Schuster UK
Das krasse Gegenteil ist die Biografie des Mötley Crüe-Gründers Nikki Sixx. Die Quasi-Fortsetzung der verfilmten Bandbiografie „The Dirt“ ist alles andere als lustig oder unterhaltsam. Sie zeichnet das traurige Leben eines Junkies, bei dem es letztlich egal ist, ob er verarmt in der Gosse lebt oder in einer millionenschweren Hollywood-Villa. Die Psychosen, das Leben, das quasi in seinen Händen und vor seinen Augen in sich zusammenfällt – es wäre ein entsetzlich trauriges Buch, wüsste man nicht, dass Sixx es letztendlich geschafft hat und mittlerweile ein fast schon solides Leben lebt. Nichtsdestotrotz ist „Heroin Diaries“ mehr als eine Rock’n’Roll-Biografie eine harte und detailverliebte Dokumentation über Heroinabhängigkeit jenseits des Glamours der ersten Jahre. Sehr, sehr lesenswert, ehrlich und aufrichtig – und unter Umständen für zartbesaitete Leser auch ziemlich bedrückend und beängstigend.
„Set the Boy free – The Autobiography by Johnny Marr“ – Random House UK
Der Schritt ins Licht, aus dem Schatten des großen Morrissey heraus. Das ist „Set the Boy free“ von Johnny Marr. Er hat mit dem stets polarisierenden Morrissey die legendären The Smiths gegründet und damit das Leben, die Jugend vieler Menschen nachhaltig beeinflusst. Was viele nicht wissen, ohne Marr hätte es The Smiths niemals gegeben. Er hat Morrissey mehr oder minder in die Bandgründung hineingedrängt, der Rest ist Geschichte. Das Buch ist aber weit mehr als ein „Schaut mal her, ich bin auch da“-Hilferuf. Es ist die eloquente und charmante Biografie eines Vollblutmusikers, eines „Gitarren-Junkies“, der für seine große Liebe – die Musik – lebt und leidet. Marr erzählt seine Lebensgeschichte sympathisch und bescheiden und stellt sich damit einmal mehr als intellektueller und emotionaler Gegenpol zum stets lauten und polternden Morrissey dar. Reunion – never ever. Dafür hat sich Marr schon seit Jahrzehnten viel zu sehr von The Smiths und Morrissey emanzipiert. Mit welchen anderen Musikgrößen Marr in seiner Karriere sonst noch so kooperiert hat, zählt er ganz unprätentiös auf. Was sich liest wie ein Who-is-Who der Musikgeschichte wirkt dabei nie arrogant und das macht Marr und sein Buch so sympathisch und lesenswert. Go ahead – für Indiekids und Gitarrennerds gleichermaßen geeignet!
„Head-On – Memories oft he Liverpool Punk-Scene and the Story of The Teardrop Explodes – 1976 – 1982“ – Julia Cope – Magog Books
Der in Deutschland vermutlich am wenigstens bekannte Musiker meiner Top 5 ist Julian Cope – seit Jahrzehnten erfolgreicher Solokünstler und einstmals Frontman der Liverpool-Indiegurus The Teardrop Explodes. Muss man die kennen? Nein, muss man nicht – aber wenn man auf absolut freakige, psychedelische Geschichten steht und Musik mag, für den ist dieses Buch ein Muss. „If the Teardrops had not been composed of 3 (or more) certified screwball sociopaths, they might have been bigger than the Beatles by now“ hat die britische Musikzeitung „Melody Maker“ einmal geschrieben und liegt damit genau richtig. Und „Head-On“ beschreibt eigentlich genau dieses Problem. Individuen im Dauerstress, Genialität, Sex, Drogen, Hass und Liebe – die Julian Cope-Biografie hat all das in Massen und ist damit perfekte Lektüre für laue/heiße Sommernächte. Filmreif – to say the least!
Fazit:
- Man muss die Musik der Bands nicht unbedingt kennen, um die Bücher zu lesen und/oder zu verstehen. Aber in unserer digitalisierten Welt von Apple Music, Spotify und anderen Anbietern, kann man durchaus mal reinhören. 2. Es gibt eindeutig auch Musiker-Biografien, von denen ich auf jeden Fall abraten würde: „Pete Townshend – Who I am“ – ein Mischmasch aus Selbstbeweihräucherung, Schuldzuweisungen und Selbstmitleid, „Talking Heads – a Biography by Jerome Davis“ – schlichtweg falsch. Falsche Behauptungen, falsche Zitate, nicht autorisiert und das aus gutem Grund. „Morrissey – Autobiography“ – ja Morrissey halt. Es fällt schwer zwischen Fakt und Fiktion, zwischen Ernst und Ironie zu unterscheiden. Und dazu ein echter Schinken, der vor Pathos nur so trieft. Für Hardcore-Fans ja, ansonsten – eher nicht.