Elbehof

Selten kündigen sich in Karlsruhe wirklich große Namen der Musikgeschichte an – am Donnerstag war es endlich einmal wieder so weit: im Tollhaus gab sich John Cale mit seiner Band und seinem neuen Album „Mercy“ die Ehre. Der 80-Jährige Waliser Cale ist den meisten Gründungsmitglied der us-amerikanischen Avantgarde-Rocker Velvet Underground ein Begriff, startete aber schon Ende der 1960 Jahre eine ausgesprochen erfolgreiche Solo-Karriere. 
Anders als viele Rockmusiker genoss Cale eine klassische Musik-Ausbildung – und das hört man auch. Mitgebracht hat Cale sein neues Album „Mercy“ – das von Musikkritikern hochgelobte 17. Studioalbum und gleichzeitig das erste mit neuen Songs seit mehr als einem Jahrzehnt. Knapp zwei Stunden zaubert John Cale mit seiner Band ein Gesamtkunstwerk auf die Bühne des Karlsruher Tollhaus – Musikstücke – alt und neu – hinterlegt mit eindringlichen Videocollagen – düster, brutal und manchmal fast ein bisschen einschüchternd wirkt das Konzept des Ganzen. Man könnte es frech „Techno-Jazz“ nennen, wenn man dem Stil einen Namen geben möchte.
Cale selbst bleibt unnahbar, als Person kaum greifbar liefert er ab und erinnert dabei an die großen Maestros der klassischen Musik – mehr als an einen Rockstar. Dem Karlsruher Publikum hat das gut gefallen – wohlwollend und gesetzt, fast wie im Theater spendet man Applaus – zwischen den Liedern, die oft zu langen Klangcollagen werden, und auch am Ende  des Programms. 
Musikalisch bleibt Cale schwer einzuordnen – hier und da hört man die Handschrift seiner Kollaborateure, seine Band leistet Großartiges, bleibt jedoch während des Konzertes weitgehend im Hintergrund. Alles ist darauf ausgerichtet, den Meister noch einmal strahlen zu lassen. Anfang März wird Cale 81 Jahre alt, ein bisschen merkt man ihm das an, er scheint manchmal zerbrechlich hinter seiner kühlen Fassade – ähnlich wie die Songs auf seinem neuen Album, die genau dieses Gefühl von Zerbrechlichkeit, Weltschmerz und düsteren Vorahnungen spiegeln. Das alles ist – wie der Künstler John Cale selbst – zeitlos, mystisch und sphärisch.

David Bowie Foto" ist erschienen im Verlag Salz und Silber