„Architektur ist Ausdruck der Realität und Zukunftsvision möglicher Lebenswelten zugleich. »ole scheeren : spaces of life« befasst sich mit dem Werk des 1971 in Karlsruhe geborenen Architekten Ole Scheeren und der Frage, wie mit Architektur von heute Prototypen für das Leben von morgen geschaffen werden“ – das sagt der offizielle Pressetext zur Ausstellung „Spaces of Life“ im ZKM Karlsruhe, die dort noch bis 4. Juni besichtigt werden kann.
Die Realität, die sich in dieser Ausstellung darstellt, sieht jedoch anders aus. Großkapitalistische Protzbauten für die finanzielle Elite drängen sich in natürlich gewachsene Städte – und man möchte gar nicht erst fragen, was und wen sie von dort verDRÄNGT haben. Ja, Scheeren mag für Menschen bauen, an den Bedürfnissen der Menschen orientiert – allerdings für Menschen, die ein Bankkonto haben, nicht für die Menschen, die an den Orten, wo er baut, schon immer gelebt haben. Dieser Eindruck drängt sich zumindest auf – auch durch die Begleittexte zur Ausstellung.
Was seine Auftraggeber betrifft, scheint Scheeren nicht wählerisch zu sein – Großindustrie, Weltmächte – nur die ganz großen gehören zu seinen Kunden. Dabei wirkt seine Bauweise merkwürdig aus der Zeit gefallen, denn ein paar begrünte Dachterrassen und organische Strukturen lösen die ökologischen Probleme unseres Planeten eben nicht. Aufdringliche Prunk- und Protzbauten mit dem „Charme“ westlicher Großstädte werden bei Scheeren einfach überall hin verpflanzt – das kann man schön reden, schön fotografieren, das war in der Vergangenheit so gewollt – muss man 2023 aber einfach auch nicht mehr schön reden. Im Gegenteil, man sollte kritisch hinterfragen, ob eine natürlich gewachsene Lagune wirklich ein „schwimmendes Kino“ braucht…
Aber Scheeren ist ein Kinder der Karlsruher Hochschulwelt, kein Wunder also, dass man ihn hier auf ein Podest hebt und feiert. Er ist ja schließlich auch ein erfolgreicher Architekt, der auf der ganzen Welt baut. Das ist schön für ihn, schön für Karlsruhe – nicht ganz so schön für die Menschen, die von seinen Großprojekten betroffen sind – ihr eigenes Lebensumfeld dafür aufgeben mussten. Immer wieder drängt sich der Gedanke auf: Hier wohnen keine armen Menschen, hier wohnen keine Normalverdiener…. Auf die Fragen der Nachhaltigkeit und der Sozialverträglichkeit werden in der Ausstellung keine Antworten gegeben. Liest man über/von Scheeren muss man glauben – die Fragen sind für ihn eher nachrangig. Was in unserer Gegenwart eher verwundert, aber vielleicht auch erklärt, warum Scheeren in Deutschland und Europe bis heute eher wenig Anerkennung gefunden hat.
Überhaupt fragt man sich, ob Architektur im Jahr 2023 noch für Superlative gefeiert werden muss, wie hoch, breit, lang – wie viel Beton und Stahl ist heutzutage kein Grund zum Jubeln mehr – da hätte man sich doch manchmal auch einen kritischeren Blick auf Architektur gewünscht. Ja, wo viele Menschen leben, muss man in die Höhe bauen, da Fläche nicht endlos verfügbar ist. das ist logisch, muss aber nicht gefeiert werden. Aber wer wohnt eigentlich in den Komplexen, die Scheeren baut und wer wohnt da NICHT – sind sie sozial verträglich, passen sie sich auch gesellschaftlich in die jeweiligen Stadtkultur ein – oder nur optisch? Das sind die interessanten Fragen, die man sich auch stellen muss. Oder eben auch Fragen wie die, ob man wirklich für das Nationalfernsehen und die Großindustrie des Chinesischen Regimes arbeiten möchte.